Demokratischer Erziehungsstil - Merkmale und Auswirkungen
Text: H. J. (Pädagogin und Erziehungswissenschaftlerin), Lesedauer: ca. 4 - 6 Minuten / Letzte Aktualisierung: 03.04.2024
In der Psychologie und in der Pädagogik werden verschiedene Erziehungsstile definiert. Die Definitionen dienen in der Regel dazu, den Einfluss von Erziehungsmethoden und das Verhalten von Erziehenden auf die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu untersuchen.
In der Realität treten reine Erziehungsstile heute kaum auf, sondern es kommt meistens zu einer Durchmischung. Während allerdings die Erziehung von Kindern bis in die 1970er Jahre hinein eher autoritär orientiert war, tendieren viele Erzieher, Lehrer und Eltern heute zu einem demokratischen Erziehungsstil.
Der demokratische Erziehungsstil - Was ist das?
Einer Definition des Soziologen und Erziehungsstilforschers Glen Elder nach, ist der demokratische Erziehungsstil dadurch geprägt, dass Kinder durchgehend als gleichwertige Partner angesehen werden. Sie werden dazu angehalten, selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln.
Eltern und Erziehern obliegt lediglich eine beratende Funktion. Wichtige Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Zum Beispiel im Familienrat.
Definition des demokratischen Erziehungsstils durch Kurt Lewin
Der Sozialpsychologe Kurt Lewin führte zusammen mit seinem Team in den 1940er Jahren in den USA verschiedene Experimente zum Erzieherverhalten in Zusammenhang mit der Erledigung von Aufgaben in einer Freizeitgruppe durch. Er prägte hierfür die Begriffe demokratischer, autoritärer und Laissez-faire Erziehungsstil, die heute noch in der Erziehungsstilforschung und bei der Untersuchung von Führungsstilen in der Wirtschaft verwendet werden.
Lewin und sein Team legten für jedes Experiment feste Regeln fest, nach denen sich der Erziehende verhalten musste. Das Verhalten der Gruppenmitglieder gab Aufschluss über den Einfluss des entsprechenden Erziehungsstils. Insbesondere wurden das Erzieher- und das Gruppenverhalten nach folgenden Gesichtspunkten untersucht:
- Wer ist der Entscheidungsträger?
- Wer bestimmt die Verfahren und Techniken bei der Aufgabenausführung?
- Wie werden die Aufgaben verteilt?
- Wie verhält sich der Erzieher während der Erledigung der Aufgaben?
Wer trifft in einer demokratische Erziehung die Entscheidungen und legt die Regeln fest?
Ein demokratischer Erziehungsstil sieht vor, dass alle Regeln und Entscheidungen in der Gruppe diskutiert werden und jedes Gruppenmitglied dabei Gehör bekommt. Der Gruppenleiter unterstützt die Diskussion und unterstützt die Entscheidungsfindung. Er ist Teil der Gruppe und hat die gleichen Befugnisse wie alle Gruppenmitglieder.
Wer bestimmt die Verfahren und die Techniken bei der Ausführung der Aufgaben?
Die Gruppenmitglieder entscheiden gemeinsam über das Arbeitsziel und legen in der gemeinsamen Diskussion fest, welche Schritte zum Erreichen gegangen werden sollen. Sie erörtern die notwendigen Verfahren und Techniken, wobei der Gruppenleiter alternative Vorschläge machen kann, aus denen eine Auswahl möglich ist.
Wie sieht die Aufgabenverteilung aus?
Der Gruppenleiter hält sich aus der Verteilung der Aufgaben raus. Die Gruppenmitglieder entscheiden frei, mit wem sie zusammenarbeiten wollen.
Wie verhält sich der Erzieher während der Erledigung der Aufgaben?
Da der Gruppenleiter Teil der Gruppe ist, verhält er sich bei der Aufgabenerledigung nach Möglichkeit genauso wie alle anderen Mitglieder der Gruppe. Sofern er Lob oder Kritik ausspricht, ist er möglichst objektiv und orientiert sich an Tatsachen.
Demokratischer Erziehungsstil in der Familie
Ohne es zu wissen, tendieren viele moderne Mütter und Väter heute zu einem demokratischen Erziehungsstil.
Sie geben zwar die Richtung vor, beziehen die Kinder aber in Entscheidungen ein und unterstützen sie bei ihrer Entwicklung. "Die Eltern begegnen ihren Kindern mehr als Partner. Die Erziehung ist demokratischer geworden und anders als früher steht das Kind in den meisten Familien im Mittelpunkt" statuiert zum Beispiel Alexandra Helfrich, Schulleiterin im oberbayerischen Krailling im Juli 2016 in der Süddeutschen Zeitung.
Dennoch können auch Elemente aus anderen Erziehungsstilen in den Alltag einfließen, denn das Verhalten der Eltern wird in nicht geringem Maße durch die Erfahrungen geprägt, die diese in der Vergangenheit gemacht haben. "Die Hälfte aller Eltern übernimmt den Erziehungsstil der eigenen Kindheit", meint die Erziehungsberaterin Julia Klamke laut eines Artikels der Sächsischen Zeitung vom 30. März 2020. Die Chance ist dabei allerdings groß, dass Kinder, die demokratisch erzogen werden, diesen Erziehungsstil als Erwachsene weiterführen.
Welche Auswirkungen hat der demokratische Erziehungsstil?
Während der Experimente zum demokratischen Erziehungsstil beobachteten Lewin und seine Mitarbeiter einen freundlichen Umgang sowohl zwischen dem Gruppenleiter und Gruppenmitgliedern, als auch bei letzteren untereinander. Die zwischenmenschlichen Beziehungen wurden von Spontaneität bestimmt. Entscheidungen waren sachbezogen. Die Gruppenmitglieder zeigten eine hohe Selbstverantwortung.
Eine demokratische Erziehung - Untersuchungen und Publikationen zum Thema zeigen als Folgen zum Beispiel:
- geförderte Kreativität der Kinder und Konstruktivität
- mentale Stärke beim Austragen von Konflikten
- Ein demokratischer Erziehungsstil sorgt für ein gutes Selbstwertgefühl und ein gesundes Selbstbewusstsein
- Achtung vor anderen Personen, aber keine Obrigkeitshörigkeit
Der demokratische Erziehungsstil wird zumindest in großen Teilen von den meisten Eltern heute bewusst oder sogar unbewusst angewandt.
Die Reinform eines einzelnen Erziehungsstils gibt es nur selten. Dennoch hat sich der demokratische Stil bei vielen Familien durchgesetzt. Die Zufriedenheit und die emotionale Kompetenz der Kinder gibt den Eltern in der Regel Recht.
[ Zum Seitenanfang ]