Die Patchworkfamilie

Text: H. J. (Pädagogin und Erziehungswissenschaftlerin) / Letzte Aktualisierung: 09.05.2023

Eine glückliche Patchworkfamilie
Eine Patchworkfamilie hat Vor- und Nachteile - Foto: © deagreez - stock.adobe. com

Was ist eine Patchworkfamilie?

Patchworkfamilien, auch Stieffamilien genannt, sind keine Erfindung unserer Zeit. Auch in früheren Zeiten war es aus verschiedenen Gründen notwendig, dass sich Eltern und Kinder aus bisherigen Familien zu einer neuen zusammenfanden. Während Stieffamilien früher oft durch den Tod eines Partners entstanden, gilt heute eine erhöhte Scheidungs- und Trennungsquote als der Hauptgrund.
In Fernsehkomödien werden Patchworkfamilien oft als trubelige Gemeinschaft dargestellt, in der immer etwas los ist und es chaotisch zugeht, aber am Ende alle zusammenhalten. Die Realität stimmt nicht immer mit dem Geschehen auf der Mattscheibe überein und so unterschiedlich wie die Menschen an sich, sind auch die Patchworkfamilien. Die Auflösung einer Kernfamilie und die Bildung einer neuen Familie verlaufen nicht immer reibungslos. Daneben spielen organisatorische und sogar bürokratische Aspekte eine Rolle.

Die Patchworkfamilie ist eine von mehreren Familienformen

In der psychologischen und pädagogischen Literatur wird zwischen verschiedenen Familienformen unterschieden, während umgangssprachlich sowohl die Stief- als auch die Regenbogenfamilie allgemein als Patchworkfamilie bezeichnet wird.

  • Kernfamilie:
    Die Kernfamilie besteht aus dem Elternpaar und den gemeinsamen leiblichen Kindern. Das Elternpaar bildet sich entweder aus Mutter und Vater oder aus gleichgeschlechtlichen Partnern.
  • Patchworkfamilie / Stieffamilie:
    Von einer Stieffamilie spricht man, wenn mindestens ein Elternteil ein Kind aus einer früheren Beziehung mit in die gemeinsame Beziehung mitgebracht hat. Der Begriff Patchworkfamilie wird seit den 1990er Jahren als Synonym für Stieffamilie beziehungsweise Mischfamilie genutzt. Er stammt aus dem Englischen, in dem patchwork soviel wie Flickwerk bedeutet. Allerdings wird der Begriff im englischen Sprachraum nicht benutzt, sondern hier heißen Mischfamilien blended families.
  • Regenbogenfamilie:
    Als Regenbogenfamilien werden Familien bezeichnet, die aus gleichgeschlechtlichen Eltern und deren leiblichen Kindern oder Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern bestehen. Der Name geht auf die Regenbogenfahne zurück, die weltweit als Symbol für Lesben, Schwule und bisexuell lebende Menschen gilt.

Stief- und Patchworkfamilien sind in der Regel zweite oder gar dritte Familien.
Wie der Familienpsychologe Wolfgang Hantel-Quitmann in seinem Buch "Basiswissen Familienpsychologie" schreibt, sind zwei Drittel der zweiten Familien Stiefvaterfamilien. Das heißt, dass diese aus der Mutter mit ihren Kindern und dem Stiefvater bestehen. In vielen Patchwork- oder Stieffamilien heiraten die Paare nicht, sondern entscheiden sich für eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft. Die Gründe darin liegen nach Hantel-Quitmann zum Teil in der Angst vor einer erneuten Scheidung. Aber auch die Rücksicht gegenüber den Kindern soll oft eine Rolle spielen. Regenbogenfamilien können sowohl eine Kernfamilie als auch eine Stief- oder eine Patchworkfamilie sein. Außerdem gelten Alleinerziehende mit ihren Kindern als abgegrenzte Familienform.

Wie viele Stief- und Patchworkfamilien gibt es in Deutschland?

Wie viele Stief- oder Patchworkfamilien heute in Deutschland leben, lässt sich statistisch nicht genau feststellen. Zwar gibt es eine amtliche Haushaltsstatistik, aber diese erfasst alle Kinder im Haushalt, ohne zwischen leiblichen Kindern sowie Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern zu unterscheiden. In der Publikation "Stief- und Patchworkfamilien in Deutschland" geht das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend davon aus, dass zwischen sieben bis dreizehn Prozent aller Familien in Deutschland Stieffamilien sind. Dabei soll der Anteil an Stieffamilien in den neuen Bundesländern höher liegen, als in den alten. Nach wie vor ist jedoch die Kernfamilie die häufigste Form der Familie in ganz Deutschland. Patchworkfamilien werden heute von der Gesellschaft recht gut akzeptiert. Das war leider nicht immer so! Auch in der Politik sind die Probleme von Patchworkfamilien in Deutschland angekommen. Das hat man auch im Wahlkampf 2021 gemerkt!

Besonderheiten der zweiten Familie gegenüber der Kernfamilie

Von der ersten Familie unterscheidet sich die Patchwork- oder Stieffamilie durch verschiedene Aspekte, die das Zusammenleben beeinflussen können. Dazu gehören unter anderem, dass das neue Elternpaar keine gemeinsame Zeit ohne Kinder vor Beginn der Lebensgemeinschaft oder Ehe hatte. Alle Familienmitglieder haben unter Umständen den Verlust einer bisherigen Kernfamilie zu verarbeiten. Die Kinder sind in manchen Fällen Mitglieder mehrerer Familien, beispielsweise wenn der zweite leibliche Elternteil wiederum selbst eine zweite Familie gründet.

Probleme innerhalb der Patchworkfamilie

Wolfgang Hantel-Quitmann stellte im Rahmen der Familienberatung fest, dass die Atmosphäre in Stieffamilien häufig durch falsche Erwartungen, einen starken Wunsch nach Harmonie, Vermeidung von Konflikten bis zur "kämpferischen Konfliktbereitschaft" geprägt sind. Darüber hinaus stehen solche Familien oft unter dem Druck, die Fehler innerhalb der ersten Familie vermeiden zu wollen. Häufig treten Konflikte auf, weil sich die erwachsenen Partner nicht auf gemeinsame Erziehungsregeln einigen können, die allen Kindern aus den verschiedenen Kernfamilien gerecht werden. Viele Kinder sind zudem durch die Scheidung oder die Trennung der leiblichen Eltern stark belastet. Ungelöste Probleme zwischen diesen oder eine negative Beziehung zum abwesenden Elternteil können für Verhaltensprobleme von Kindern ebensolche Risikofaktoren sein, wie die Veränderungen des Erziehungsstils in der zweiten Familie. Eltern sollten den Kindern daher viel Zeit geben, sich an die neue Familiensituation zu gewöhnen und ihren Kindern mit individueller Förderung und Empathie entgegenkommen. Wie die leiblichen Eltern ihrer Erziehungsverantwortung gerecht werden, hängt unter anderem von dem Verhältnis ab, dass diese zueinander nach der Trennung haben. In der Fachliteratur wird zwischen verschiedenen Formen der Elternschaft unterschieden.

  • Die parallele Elternschaft, ist eine Erziehungsform, bei der die leiblichen Eltern die Erziehungsverantwortung getrennt ausüben, ist dann empfehlenswert, wenn deren Beziehung zueinander sehr konfliktbelastet ist und es beim direkten Aufeinandertreffen zu Auseinandersetzungen kommen kann. Die Eltern klären bei dieser Form der Elternschaft lediglich die Rahmenbedingungen und vermeiden ansonsten den direkten Kontakt. Dadurch werden die Kinder weitestgehend von den Konflikten ferngehalten und stehen nicht als Puffer zwischen den zerstrittenen Eltern.
  • Die kooperative Elternschaft ist immer dann möglich, wenn die getrennt lebenden Eltern in der Lage sind, miteinander ohne Groll zu reden und gemeinsame Entscheidungen zu treffen.
  • Für Kinder die schlechtesten Formen sind die destruktive Elternschaft, bei der die Eltern es nicht schaffen, ihre Konflikte beizulegen oder sich aus dem Weg zu gehen, oder die destruierte Elternschaft, bei der ein Elternteil sich gänzlich zurückzieht und nicht mehr für das Kind da ist.

Die idealste Form der Elternschaft ist die kooperative Elternschaft, wie sicher jeder nachvollziehen kann. Psychologen sehen allerdings bei der parallelen Elternschaft durchaus die Chance, dass sie den Bedürfnissen der Kinder nicht entgegensteht. Wichtig ist es, dass sich die Eltern in grundlegenden Erziehungsfragen einig sind und sich nicht gegeneinander ausspielen.
Lesen Sie auch unsere Tipps zum Umgang mit dem Stiefkind

Probleme, die sich durch die Patchwork-Familienform ergeben können

Bisher sind die Gesetze in Deutschland und allgemeine Gebräuche hauptsächlich auf die Kernfamilie ausgerichtet, also die Familie, die durch Ehe und Abstammung der Kinder charakterisiert ist. Probleme, die sich aus der Bildung von Patchworkfamilien ergeben können, zeigen sich daher auch 2022 leider noch immer in verschiedenen Bereichen, wie:

  • Namensregelungen: Nach der Scheidung der Eltern behält ein Kind grundsätzlich den Nachnamen, den es bis dahin geführt hat. Dadurch haben in einer Patchworkfamilie die Kinder unter Umständen verschiedene Namen. Wenn ein Elternteil erneut heiratet oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingeht, ist die Namensangleichung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Umgangsrecht: Das Umgangsrecht ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht der gesetzlichen Eltern. Leben diese nicht mehr zusammen, müssen sie sich daher über die Gestaltung des Umgangs einig werden und eigene Befindlichkeiten zurückstellen. Stiefeltern und ehemalige Lebenspartner haben keine Pflicht zum Umgang mit dem Kind nach einer Trennung. Unter Umständen haben sie aber das Recht darauf, wenn sie vor der Trennung die Verantwortung für die Kinder getragen haben.
  • Erbrecht: Nach der gesetzlichen Regelung haben nur leibliche oder adoptierte Kinder das Recht auf das Erbe oder den Pflichtteil. Stiefkinder sind davon ausgeschlossen, sofern die Eltern kein Testament gemacht haben.

Buchtipps zum Weiterlesen

Wer sich intensiver mit dem Thema Patchworkfamilie befassen möchte, findet dazu im Buchhandel oder in der Bibliothek eine ganze Reihe an Büchern. Hier ein paar Tipps:

  • Lesen Sie unseren Ratgeberartikel "Probleme mit dem Stiefkind"
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Stief- und Patchworkfamilien in Deutschland. Monitor Familienforschung - Beiträge aus Forschung, Statistik und Familienpolitik, Ausgabe 31, PDF erhältlich auf https://www.bmfsfj.de
  • Hantel-Quitmann, Wolfgang: Basiswissen Familienpsychologie. Familien verstehen und helfen, Klett-Cotta Verlag 2013
  • Neysters, Peter: Lust und Frust der Patchwork-Familie, Butzon und Bercker GmbH 2012

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